Landkarte der Schweizer Überwachungsindustrie
Seit Jahren beschäftigen wir - die WOZ und das Recherchekollektiv WAV – uns mit den Exportgeschäften der Schweizer Überwachungsbranche und stossen dabei immer wieder auf Missbrauch: Exporte ohne Bewilligungen, Deals mit autoritären Regime, Umgehungsgeschäfte oder Verstrickungen mit Russland und Israel.
Während die Exporte bewilligungspflichtig sind, gibt es rund um die Aufsicht dieser Firmen Fragezeichen. Dies, obwohl Spionage- und Überwachungstechnologie mächtige Instrumente mit hohem Missbrauchs- und Repressionspotenzial sind.
Wir werfen ein Licht auf diese verschwiegene Branche.
Im August 2024 durchsuchten Polizist:innen der Bundeskriminalpolizei Fedpol die Büroräumlichkeiten eines Treuhänders in Lugano. Der Verdacht: Er hat mutmasslich gegen das Güterkontrollgesetz verstossen – in dem er sich am Export des berüchtigten Intellexa-Trojaners «Predator» beteiligte, der in unzähligen Ländern von Regierungen missbräuchlich eingesetzt wurde.
Auslöser der polizeilichen Durchsuchung des Intellexa-Treuhänders war eine Recherche der WOZ und internationaler Partner (1). Diese rückte eine Branche in den öffentlichen Fokus, die sonst gerne unter sich bleibt: die exportorientierte Überwachungsindustrie und ihre Schweizer Infrastruktur.
NeoSoft, Atecs, Polus, Wavecom oder Intellexa: In der Schweiz produzieren und handeln mehrere Überwachungstechnologiefirmen, deren Produkte aufgrund ihrer «Fähigkeiten» eine Exportbewilligung benötigen. Der WOZ-Rüstungsreport veröffentlicht jedes Jahr deren Exporte (2) – über eine Zeitspanne von mittlerweile zehn Jahren können wir damit die Exportgeschäfte dieser sonst verschwiegenen Branche nachzeichnen.
In zahlreichen Recherchen (3) haben wir über die Jahre einzelne Firmen, ihre Hintergründe und verschiedene Geschäfte im Detail untersucht. Diese Recherchen zeigen: Die Branche ist chronisch intransparent, die Hintergründe und Geschäfte der Unternehmen sind immer wieder problematisch und die geltende Gesetzgebung – oder zumindest ihre Anwendung – ist zahnlos und schwerfällig. Immer wieder stossen wir auf Missbrauch: Mutmassliche Exporte ohne Bewilligung, Deals mit autoritären Regime oder repressiven Sicherheitsapparaten, Umgehungsgeschäfte über Zwischenländer wie die Vereinigten Arabischen Emiraten oder Verstrickungen mit Märkten wie Russland und Israel.
Und dabei merken wir: Während die Exporte zwar eine Bewilligung brauchen, gibt es rund um die allgemeine Aufsicht dieser Unternehmen Fragezeichen: Das Mandat des Staatsskretariats für Wirtschaft (Seco) ist auf Exportkontrolle beschränkt, das Bundesamt für Kommunikation (Bakom) stellt Bewilligungen für Betrieb und Training von Infrastruktur aus, die Nachrichtendienste geben wie immer keine Auskunft. Das birgt Risiken: Spionage- und Überwachungstechnologie sind mächtige Instrumente, sie bergen ein hohes Missbrauchs- und Repressionspotenzial – nicht nur aber auch im Inland. Und dank intransparenten und globalen Unternehmenskonstrukten lassen sich Exportkontrollen leicht umgehen und Geschäfte verschleiern – teilweise sogar ohne dabei offensichtlich Gesetze zu verletzen.
Höchste Zeit, dass wir den Spiess umkehren, die Überwacher in den Blick nehmen und ihnen auf die Finger schauen. Wir reisen mit euch durch die Landkarte der Schweizer Überwachungsunternehmen und stellen ihre Produkte, Geschäfte und Hintergründe vor. Eine Reise, die von Bülach nach Zürich und dann über Zug nach Bern bis ins Tessin führt.
(1) https://www.woz.ch/t/predator-files (2) https://www.rüstungsreport.ch/dealers (3) https://www.rüstungsreport.ch/articles